Von Etienne Schätzmüller
Wer kennt das nicht? Da geht kurz vor der Schule noch eben eine Nachricht auf Facebook, WhatsApp, Instagram oder irgendeinem anderen Social Network ein. Schnell wird noch geantwortet und dann ab ins Gebäude. Das vibrieren des Handys zeigt, dass schon die Antwort da ist. Eben noch nachsehen? Nein, da kommt Herr Weitz. Welch ein Schreck! Wie soll man seinen Eltern erklären, dass sie nachmittags nochmal in die Schule kommen müssen, um das Handy abzuholen. Und wie soll man einen ganzen Vormittag ohne Handy überleben? Das haben die Menschen früher auch nicht geschafft.
Die aktuelle Handyregelung der Dieter-Forte-Gesamtschule ist ein Kompromiss, den niemand so richtig versteht und mit dem niemand so richtig zufrieden ist. Wer durfte gleich nochmal wo das Handy herausholen?
Die Antwort sollte einfach sein: die Schülerinnen und Schüler gar nicht.
„Wie konservativ und unzeitgemäß!“, werden manche jetzt rufen. Aber Schule sollte ein Raum sein in dem sich Menschen, Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, von Angesicht zu Angesicht begegnen, face-to-face wie es zu Neustdeutsch mittlerweile heißt. Zu einem gelungenen sozialen Miteinander gehört mehr als ein paar Emojis zu verteilen, ein paar Mal „Like“ zu klicken und sich bequem in der Anonymität des Internets einzurichten. Denn diese Anonymität befördert Hassbotschaften. Emojis können das Original, also das menschliche Gesicht, nicht ersetzen. Mimik und Gestik eines Menschen offenbaren seine Individualität, mit ein paar Smileys versinken wir im Einheitsbrei, da hilft es auch nicht, dass mittlerweile jede Chatplattform ein paar hundert oder tausend anbietet. Ein „Like“ kann ein ernstgemeintes, aufrichtiges Lob nicht ersetzen. „Likes“ werden in Quantität gemessen, man muss schon tausend haben, um sich gut zu fühlen. Ein ehrliches Lob, das sich auch noch wirklich auf meineAussage bezieht, reicht. Hier siegt also die Qualität.
„Aber wir müssen doch mit der Zeit gehen!“, wird häufig eingewendet. Richtig ist, dass die Schule die Schülerinnen und Schüler auf ihr Leben vorbereiten muss. Ein verantwortungsbewusster Medienumgang gehört heutzutage einfach dazu. Diese Tatsache stellt niemand in Frage. Aber diesen Umgang lernt ein junger Mensch nicht, indem er ohne Unterstützung und schutzlos in ein potenzielles Haifischbecken geworfen wird, in dem die Haie „Mobbing“, „Fake News“ und „Extremismus“ auf frisches Blut warten. Workshops zur Internetsicherheit und eine stärkere Präsenz der Medien Scouts helfen hier viel mehr, nicht der ungezügelte Handykonsum während der Schulzeit.
Außerdem belegen Studien, dass ein hoher Konsum von Bildschirmmedien und sozialen Netzwerken zu Unkonzentriertheit führt (z.B. Spitzer: Digitale Demenz). Wenn während des Unterrichts oder auch kurz davor eine Nachricht eingeht, sind die Gedanken „im Netz“ und nicht im Unterricht. Wenn in jeder (vermeintlich) freien Minute ein Handyspiel gezockt wird, werden Jugendliche süchtig und nicht gebildet. Wenn das digitale Leben wichtiger wird als das reale, bleiben die Menschen auf der Strecke.
Eine Schülerin aus Hagen hat, wie in der Westfalen Post zu lesen war, einmal eine Woche auf das Handy verzichtet. Sie lebt noch und berichtete, dass sie mehr Zeit mit ihrer Familie und Freunden verbracht hat.
Wenn das Handy ausgeschaltet bleibt, gewinnen die Schülerinnen und Schüler Freiheit; die Freiheit nicht ständig auf den Bildschirm gucken zu müssen, die Freiheit sich dem Hier und Jetzt zu widmen. Deshalb sollte ein generelles Handyverbot in der Schule gelten. Wir alle werden es überleben.